Center for Leadership and People Management
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Ausgabe 1/2008

Hochschulen als Arbeitgeber – Mehr Attraktivität durch Center of Excellence Kulturen

Ebenso wie erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen, müssen sich in Zukunft auch die Universitäten verstärkt darüber Gedanken machen, wie ihre Mitarbeiter langfristig motiviert, herausgefordert und gefördert werden können. Denn: vielleicht noch stärker als in der Wirtschaft sind die Menschen und ihre Ideen das wichtigste Kapital der Hochschulen. Ein Umfeld zu schaffen, in dem Wissenschaftler Spitzenleistungen erbringen können, ist unerlässlich, um exzellente Mitarbeiter anzuwerben und langfristig zu binden. Doch wie kann das gelingen?

Neben notwendigen strukturellen Veränderungen kommt der strategischen Ausrichtung und der Personalpolitik der Hochschulen eine entscheidende Bedeutung im „Kampf um die Köpfe“ zu. Nur Universitäten, die sich als Arbeitgeber der Wahl profilieren und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter durch Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten überzeugen, werden im Wettbewerb mit anderen Universitäten und Unternehmen bestehen können. Allerdings setzt sich diese Erkenntnis nur langsam an den Hochschulen durch: Nach einer Untersuchung der Universität Bonn aus dem Jahr 2006 messen zwar rund 70% der deutschen Hochschulen dem Thema Personalmanagement eine hohe bis sehr hohe Bedeutung bei. Das geringe Investitionsniveau von durchschnittlich nur rund 40 Euro pro Mitarbeiter und Jahr für die Personalentwicklung zeigt aber, dass den Worten bisher nur wenige Taten folgen.

Eine wichtige Grundlage für die Etablierung als attraktiver Arbeitgeber bildet eine gelebte wertorientierte Arbeits- und Führungskultur, welche ein Umfeld schafft, das Mitarbeiter langfristig motiviert und zu Spitzenleistungen anregt. Was aber gehört zu einer solchen Kultur? Dieser Frage hat sich die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Dieter Frey vom Lehrstuhl für Sozialpsychologie der LMU in den vergangenen Jahren intensiv gewidmet. Aus der Analyse erfolgreicher Wirtschaftsunternehmen konnte sie verschiedene Kulturen ableiten, die wesentlich zur Entstehung sogenannter Centers of Excellence beitragen. Bei letzteren handelt es sich um Gruppen, Abteilungen oder Organisationen als Ganzes, die höchsten Standards verpflichtet sind und auf ihrem Gebiet Spitzenpositionen einnehmen. Wir vertreten hier die Auffassung, dass vieles, was für erfolgreiche Unternehmen in der Wirtschaft gilt, mit gewissen Abwandlungen auch auf staatliche Institutionen wie Hochschulen übertragen werden kann. Die Universitäten können Centers of Excellence zwar nicht verordnen, aber ihre Entstehung durch die Förderung der entsprechenden Arbeits- und Führungskulturen begünstigen. Hierbei kommt dem Personalmanagement eine wichtige Rolle zu. Es kann durch gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Führungskräften die richtigen Impulse geben und die nötigen Kompetenzen vermitteln, um Center of Excellence Kulturen zu etablieren.

Welche Arbeits- und Führungskulturen sind es nun, die die Entstehung von Spitzenleistungen begünstigen? Im Folgenden stellen wir Ihnen zentrale Center of Excellence Kulturen vor.

Benchmark- und Kernkompetenzkultur

Wer zu den Besten gehören will, muss sich mit den Besten messen. Dieser Gedanke bildet die Grundlage der Benchmarkkultur. Sowohl die Universität als Gesamtorganisation, als auch jede Fakultät, jeder Lehrstuhl und jeder Mitarbeiter sollte sich immer wieder die Frage stellen, wer die hervorragendsten Vertreter der eigenen Vergleichsgruppe sind: Welche Universitäten sind in Deutschland, sind weltweit führend? Welche sind die renommiertesten Institute, die besten Forscher auf dem eigenen Gebiet? Was zeichnet sie aus? Worauf basiert ihr Erfolg? Eine Reflexion über diese Fragen kann dazu anregen, Verbesserungspotenziale im eigenen Einflussbereich aufzudecken und gleichzeitig Wege aufzeigen, wie diese Potenziale auch genutzt werden können. Wichtig ist dabei aber, über die Orientierung an anderen nicht das eigene Profil aus den Augen zu verlieren. Grundlage des Strebens nach Verbesserung sollte immer eine unverkennbare eigene Identität sein, etwa durch eine entsprechende fachliche und wissenschaftliche Schwerpunktbildung. Diese Besinnung auf die eigenen Stärken lässt sich unter dem Begriff Kernkompetenzkultur fassen. Sie garantiert, im wissenschaftlichen Wettbewerb als eigenständig wahrgenommen zu werden und nicht im breiten Mittelfeld unterzugehen.

Teamkultur

Neben der Orientierung an den Besten müssen auch bestimmte Kulturen der Zusammenarbeit implementiert sein, um ein Center of Excellence zu begründen. Eine positive Teamkultur zeichnet sich etwa dadurch aus, dass Synergien in der eigenen Arbeitsgruppe identifiziert und genutzt werden. Optimal eignen sich dazu heterogen geformte Teams, in denen sich unterschiedliche Talente auf Basis gemeinsamer Spielregeln ergänzen. Dieser Grundgedanke sollte daher in die Auswahl neuer Mitarbeiter oder die Zusammenstellung von Forschungsgruppen einfließen. Auf einer übergeordneten Ebene kann unter Teamkultur aber auch die fach- und institutionsübergreifende Vernetzung zwischen Forschergruppen, Lehrstühlen oder gar Universitäten verstanden werden, die so ihre Stärken bündeln und eventuelle Schwächen ausgleichen können. Für die Innovationsfähigkeit ist eine solche Kultur von großer Bedeutung, da sie die häufig sehr ausgeprägten Fächerabgrenzungen überwindet und damit Spielräume für neue Entwicklungen eröffnet. Um sie zu fördern, sollten Universitäten gezielt Kooperationsprojekte anstoßen und unterstützen. Auch fächerübergreifende Forschungskolloquien bieten sich an, um den interdisziplinären Austausch anzuregen.

Problemlösekultur

Unter einer Problemlösekultur ist die Grundhaltung zu verstehen, dass auftretende Probleme nicht negativ aufgefasst werden, sondern vielmehr die Chance zu Verbesserung und Innovation darin erkannt wird. Eine solche Sichtweise ist gerade im Wissenschaftsbetrieb wichtig, wo neue Ideen und Forschungsansätze nicht selten auf dem positiven, lösungsorientierten Umgang mit Problemen fußen. Jedoch wird Schwierigkeiten bzw. Verbesserungsideen viel zu häufig von vorne herein mit einem resignativen „Das geht sowieso nicht“ begegnet, anstatt aktiv nach den Bedingungen zu suchen, unter denen es eben doch funktionieren könnte. Das Denken in Lösungen sollte in Arbeitsgruppen aktiv gefördert werden, z.B. indem es zur Grundregel gemacht wird, Probleme nicht nur zu benennen, sondern auch gleich entsprechende Lösungsansätze mitzuliefern.

Kreativitäts- und Lernkultur

Eng mit der Kultur des Problemlösens verbunden ist die Phantasie- und Kreativitätskultur. Einstein hat seine Haltung zur Phantasie einmal so in Worte gefasst: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Kreatives Arbeiten setzt voraus, dass die Mitarbeiter die entsprechenden Freiräume erhalten, um mit neuen, unkonventionellen Ideen experimentieren und Risiken eingehen zu können. Die Universität und ihre Arbeitseinheiten müssen diese Freiräume zur Verfügung stellen und schützen, um ihre Mitarbeiter zu höchsten Leistungen anzuspornen. Dazu gehört auch, dass Fehler nicht bestraft, sondern vielmehr zum Ausgangspunkt für Verbesserungen und Innovationen gemacht werden. Eine Analyse der Ursachen des Versagens bringt häufig neue Sichtweisen und Ansätze für künftige Entwicklungen zum Vorschein. Eine Lernkultur, in der Fehler nicht unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt, sondern als Chance begriffen werden, ist damit wichtige Voraussetzung dafür, dass Wissenschaftler den Mut und die Sicherheit haben, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Streit- und Konfliktkultur

Auch in der Wissenschaft gehören Streit und Konflikte zum Arbeitsalltag. Wichtig ist es, diese nicht nur als negative Ereignisse aufzufassen, sondern vielmehr die Entwicklungschancen darin zu erkennen und nutzbar zu machen. Dies gelingt durch eine produktive Streit- und Konfliktkultur, die sich pointiert in der Aussage „Tough on the issue, soft on the person“ zusammenfassen lässt. Damit ist einerseits gemeint, Mitarbeiter dazu zu ermutigen, Konflikte anzugehen und ihre Standpunkte selbstbewusst zu vertreten. Andererseits sollte die Konfliktaustragung von einem konstruktiven und wertschätzenden Umgang miteinander geprägt sein, in dem ein Wettstreit der Argumente und nicht bestehende Machverhältnisse zur Lösung führen. Die Universität als Arbeitgeber kann dies unterstützen, indem sie für hierarchiefreie Kommunikation eintritt und ihre Mitarbeiter im produktiven Umgang mit Konflikten schult.

Implementierungskultur

Die bisher geschilderten Kulturen umschreiben Bedingungen, die die Entwicklung neuer Ideen begünstigen und fördern. Diese sind aber nur ein Teil eines Centers of Excellence. Ein weiterer wichtiger Aspekt bezieht sich auf die konkrete Umsetzung von Konzepten in Resultate. Zu einer erfolgreichen Implementierungskultur gehört, neue Ideen in konkrete Handlungspläne mit klaren Zeitvorgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu überführen. Vielfach lässt universitäres Projektmanagement hier noch zu wünschen übrig. Daher erscheinen konkrete Qualifizierungsmaßnahmen in diesem Bereich, wie z.B. in Form eines Erfahrungsaustausches mit Managern aus der Wirtschaft, sehr vielversprechend.

Führungskultur

Als letzte, aber vielleicht wichtigste Facette des Centers of Excellence sei hier die Führungskultur genannt, die zur Umsetzung der vorgenannten Kulturen von entscheidender Bedeutung ist. Orientiert am Prinzipienmodell der Führung nach Frey sollten Vorgesetzte folgende Punkte im Alltag berücksichtigen, um ihre Mitarbeiter zu Spitzenleistungen zu motivieren:
  • Vermittlung von Sinn und Visionen
  • Transparenz durch Information und Kommunikation
  • Autonomie und Partizipation
  • Passung und Eignung (Abgleich von persönlichen Talenten und Stärken mit den Anforderungen am Arbeitsplatz)
  • Optimale Stimulation durch Zielvereinbarung
  • Konstruktive Rückmeldung (Lob und konstruktive Kritik)
  • Positive Wertschätzung
  • Fairness
  • Fachliche und soziale Einbindung
  • Wachstum (Persönlichkeitsentwicklung und Zukunftsperspektiven)
  • Persönlichkeitsentfaltung und menschengerechte Arbeitsbedingungen
  • Gutes Vorbild der Führungsperson (menschlich, fachlich)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein exzellenter Führungsstil Leistungsanforderungen mit Achtung und Respekt verbinden muss. Einen solchen Führungsstil auch an der Universität zu etablieren, ist eine wichtige Herausforderung für die Hochschulpersonalentwicklung. Bisher sehen sich viele wissenschaftliche Führungskräfte, also Professoren und Habilitanden, noch zu wenig in dieser Rolle und verfügen häufig über ein relativ begrenztes Wissen sowie geringe Handlungskompetenzen in der Mitarbeiterführung. Ein gezieltes Schulungsangebot, welches Wissenschaftlern die nötigen Kompetenzen vermittelt, bildet damit einen wichtigen Baustein der Personalarbeit der Universitäten.

Die beschriebenen Center of Excellence Kulturen können auf allen Ebenen des Hochschulbetriebes eingeführt werden, universitätsweit, an einzelnen Fakultäten und Lehrstühlen. Das Personalmanagement sollte diesen Prozess durch gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen begleiten. Hochschulen, denen es gelingt, die genannten Kulturen zum Teil ihres Selbstverständnisses zu machen und sie flächendeckend zu etablieren, werden schnell feststellen, dass damit nicht nur die Entstehung von Spitzenleistungen gefördert wird, sondern auch ein Arbeitsumfeld entsteht, welches talentierte Mitarbeiter bindet und Spitzenkräfte anlockt. Center of Excellence Kulturen bilden damit ein wichtiges Element einer tragfähigen Zukunftsstrategie und schaffen optimale Voraussetzungen, um gemeinsam mit den Mitarbeitern den Wandel, den die deutsche Hochschullandschaft derzeit erfährt, erfolgreich zu bewältigen und mitzugestalten.


Wenn Sie sich weiter über das Center of Excellence Konzept informieren möchten, werden Sie hier fündig:

Frey, D. (1996). Psychologisches Know-how für eine Gesellschaft im Umbruch. Spitzenunternehmen der Wirtschaft als Vorbild. In C. Honegger, J.M. Gabriel, R. Hirsig, J. Pfaff-Czarnecka & E. Poglia (Hrsg.), Gesellschaften im Umbau. Identitäten, Konflikte, Differenzen (S. 75-98). Zürich, Seismo

Frey, D. (1998). Center of Excellence. Ein Weg zu Spitzenleistungen. In P. Weber (Hrsg.) Leistungsorientiertes Management. Leistungen steigern statt Kosten senken (S. 199 – 233). Frankfurt: Campus

Frey, D., Peus, C. & Traut-Mattausch, E. (2005). Innovative Unternehmenskultur und professionelle Führung – entscheidende Bedingungen für eine erfolgreiche Zukunft? In D. Kudernatsch & P. Fleschhut (Hg), Management Excellence (351-376). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Bitte beachten Sie auch unseren Literaturtipp!